Senat blockiert Online-Eintragung bei Volksbegehren

Muss Volksinitiative Eilantrag beim Landesverfassungsgericht stellen?

Die erfolgreiche Volksinitiative gegen das Gendern in Hamburger Schulen, Universitäten und Behörden zeigt sich überrascht von der Ankündigung des Senats, die seit 16 Jahren im Volksabstimmungsgesetz vorgesehene Möglichkeit der digitalen Unterstützung eines Volksbegehrens weiterhin nicht umzusetzen. Auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten André Trepoll und Richard Seelmaecker, ob rechtzeitig zum Volksbegehren gegen das Gendern im Juli des kommenden Jahres die Möglichkeit der Online-Unterstützung bereitstehen werde, teilte der Senat am Freitag mit:

 

Die Vorschrift zur Ermöglichung einer Eintragung im technischen Verfahren (§ 9 Absatz 2 Satz 2 VAbstG) wurde durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes vom 12. Juni 2007 (HmbGVBl. S. 174) eingeführt. Eine nähere Ausgestaltung in der Volksabstimmungsverordnung sowie die Entwicklung und Implementierung eines technischen Verfahrens ist bisher nicht erfolgt. (…) Hinsichtlich der Entwicklung, Implementierung sowie Wartung und Pflege eines technischen Verfahrens ist zudem zu berücksichtigen, dass zuletzt ein Volksbegehren vom 18. September bis zum 8. Dezember 2014 durchgeführt wurde. Ein technisches Verfahren sollte eine Nutzung über den temporären Einzelfall hinaus gewährleisten.

(…)

Darüber hinaus hat sich der Senat hiermit nicht befasst.

 

Einfach ausgedrückt: “Haben wir nicht. Machen wir nicht.”

Damit verstößt der Senat gegen das Volksabstimmungsgesetz. Dieses sieht die Online-Unterstützung eines Volksbegehrens als Bürgerrecht vor. § 9 des Volksabstimmungsgesetzes regelt bereits seit 2007, dass ein Volksbegehren auch anders als durch eigenhändige Eintragung in Listen unterstützt werden kann:

 

§ 9 Volksabstimmungsgesetz

Das Volksbegehren wird durch eigenhändige Unterzeichnung in Eintragungslisten bei den Eintragungsstellen oder in freier Sammlung durch die Initiatoren unterstützt. Die Eintragungen erfolgen auch durch andere Verfahren, die den Vorgaben einer rechtsverbindlichen Authentifizierung und der Schriftform auf der Grundlage bestehender bundes- und landesrechtlicher Regelungen entsprechen.

 

Der Hamburgische Notar Dr. Jens Jeep, der zu den Vertrauenspersonen der Volksinitiative gehört, erläutert die rechtliche Bedeutung der Formulierung “Eintragungen erfolgen auch durch andere Verfahren”: “Das Gesetz stellt die Unterstützung in elektronischer Form nicht in das Belieben des Senats. Es ist als bestehendes Recht der Hamburger Bürger geregelt, die dadurch eine gesetzgeberische Aufgabe im Rahmen der Hamburgischen Verfassung wahrnehmen.”

Die einzig geforderte Entsprechung mit den “Vorgaben zur rechtsverbindlichen Authentifizierung” liege längst vor: Personalausweis und PIN erfüllten die Vorgaben bereits seit dem Jahr 2015. Mit dem aktuellen Personalausweis im Kreditkartenformat als europäisch geregelter eID habe jeder Bürger die Möglichkeit, durch Scannen mit einer geeigneten App und PIN-Eingabe Dokumente elektronisch rechtssicher zu unterzeichnen. Auch die erforderliche App gebe es längst. Die “AusweisApp2” des Bundes lasse sich kostenlos über die App-Stores von Apple und Google auf jedes Smartphone laden. Sie müsse also nicht etwa erst von Hamburg entwickelt werden, wie die Aussage des Senats suggeriere. Damit könne jeder Bürger schon jetzt in Sekundenschnelle testen, ob der eigene Ausweis funktioniere. Dies sogar dann, wenn er noch keine PIN besitze oder diese mangels praktischer Nutzung vergessen habe. Eine neue PIN könne problemlos und rechtzeitig zum Volksbegehren beim Bezirksamt angefordert und dann selbst festgelegt werden. Die Umsetzung der gesetzlichen Pflicht wäre daher kein Problem für den Senat, weder vom Aufwand noch von den Kosten. Alles, was die Verwaltung tun müsse, sei das Bereitstellen einer Webseite, auf die am Computer oder mobil zugegriffen werden könne und die sodann zur Unterstützung des Volksbegehrens die AusweisApp2 öffne. Für die Unterstützer des Volksbegehrens dauere der gesamte Vorgang dann keine Minute. Willkommener Nebeneffekt: Die Auszählung der Stimmen werde ebenso erleichtert wie die Prüfung, ob es sich bei den jeweiligen Unterstützern wirklich um Hamburger Wähler handele. Nicht zuletzt wäre dies ein dringend notwendiger Schritt zu einer wirklich digitalen Hamburger Verwaltung. Der ehemalige Schulleiter Dr. Hans Kaufmann, ebenfalls Vertrauensperson der Volksinitiative, erkennt ein typisches Behördendenken: “Die fehlende Digitalisierung der Verwaltung ist ein klassisches Henne-Ei-Problem: Viele Bürger kennen die PIN Ihres Ausweises nicht, weil man diese praktisch nie zu etwas gebrauchen kann. Und die Stadt scheint zu glauben, dass man die Digitalisierung der Verwaltung nicht brauche, weil ohnehin so wenig Bürger ihre PIN kennen würden.”

 

Die Volksinitiative werde diesen Teufelskreis verhinderter Digitalisierung nun durchbrechen, nicht nur für das eigene Volksbegehren zugunsten einer allgemein verständliche Sprache in Schulen und Verwaltung, sondern generell mit dem Ziel, Hamburg zu einer effektiven, digitalen Verwaltung zu verhelfen. Erstaunlich sei die Digitalisierungsverweigerung Hamburgs auch vor dem Hintergrund, dass erst zum Tag der Deutschen Einheit der Bundeskanzler und ehemalige Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg, Olaf Scholz, bekundete, dass die Verwaltung und ihre Dienstleistungen noch nicht digital genug seien. Da gehe noch mehr! Das sieht auch die Volksinitiative so. Was es zur Folge hat, wenn der Senat bei seiner Haltung bleibt, beschreibt Jeep daher wie folgt: “Für die Frage, ob der Senat seinen gesetzlichen Verpflichtungen aus dem Volksabstimmungsgesetz nachkommt, ist das Landesverfassungsgericht zuständig. Wir hoffen nicht, dass es nötig wird, dort einen Eilantrag zu stellen, um den Senat zu verpflichten, bis zum Beginn der Briefeintragungsfrist des Volksbegehrens am 10. Juli 2024 die technischen Voraussetzungen bereitzustellen, damit jeder Bürger Hamburgs seinem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Volksgesetzgebung nachkommen kann. Und zwar so, wie es im Jahr 2023 selbstverständlich sein sollte: digital und online.”

Noch ein Schritt,

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